Journalismus: Der Begriff der Lügenpresse



Als freier Journalist werde ich in den letzten Jahren immer wieder mit dem Begriff der „Lügenpresse“ konfrontiert. Schon vor der Coronapandemie geisterte er in der Gesellschaft und im Internet wie ein Damoklesschwert umher. Während Covid-19 gewann er aber noch einmal deutlich an Aufwand! Nur warum?

„Lügenpresse“ – was für ein Wort. Wer von der „Lügenpresse“ spricht, der sagt, „was in der Zeitung steht, das stimmt nicht“ und das überrascht, denn eigentlich ist die Freiheit der Presse ein äußerst hohes und in Deutschland auch sehr hoch angesehenes Gut. Woher also diese plötzliche Abneigung gegen die, die schon seit Jahrzehnten schreiben und deren Medium doch eigentlich immer für einen traditionellen Namen stand?

Für meine Eltern gehörte das Lesen der Zeitung fest zu ihrem Tagesablauf. Sie waren für mich der Inbegriff des so berühmten Küchenzurufes, denn mein Vater fasste gerne die wichtigsten Punkte, die er gelesen hatte, für meine Mutter noch einmal zusammen, nur um ihr diese zuzurufen. Ein Klassiker.

Auch das gemeinschaftliche Schauen der „Tagesschau“ war ihnen überaus wichtig und nicht wegzudiskutieren. Einmal am Tag wissen, was ganz aktuell los ist, sich informieren und das aus der besten und sichersten Quelle, die es für sie gab, daran führte kein Weg vorbei. Die Nachrichten der ARD waren absolut unantastbar. 

Mit dem Kabelfernsehen ändert sich das allerdings schlagartig, denn auf einmal gab es zu Dagmar Berghoff und Co. echte Alternativen. Bei „RTL Aktuell“ beispielsweise trug man die Meldungen deutlich lockerer vor und man berichtete auch über Dinge, die man bei der ARD nicht sah. Das gefiel und kam gut an. Man war nicht mehr nur auf eine Nachrichtensendung angewiesen, sondern konnte aus einer Fülle an Angeboten wählen.

Ja und heute? Heute ist die Vielfalt an Medien derart groß, dass man gar keinen Überblick mehr darüber hat, von wem und was man da eigentlich gerade „informiert wird“. Facebook und Co. sind das beste Beispiel dafür. Hier werden einem über den Tag verteilt immer wieder bestimmte Schlagzeilen und Posts angezeigt. Auf welcher Wahrheit oder Quelle sie allerdings beruhen, das hinterfragt kaum jemand. Dabei kann man unseriöse Seiten relativ leicht erkennen, denn hier ist die Wortwahl oft eine ganz andere und auch ein Impressum gar nicht erst vorhanden. 

Moderne Textanwendungen und das derzeit äußerst populäre „Chat GPT“ lassen jeden Menschen zum Journalisten werden und seinen Text seriös erscheinen. Hier wird es in den kommenden Jahren immer schwerer werden, zu erkennen, was echt und was nicht.

Aber auch die Medien selbst befeuern den Begriff der „Lügenpresse“, aus meiner Sicht, denn wenn man bei Talkshows und Gesprächsrunden immer nur dieselben Gesichter sieht, wie zu Zeiten der Pandemie, darf und muss man sich schon fragen, ob nicht eine bestimmte Meinung besonders ins Licht gerückt und betont werden soll. Ja und Leute, die diese nicht vertreten, die werden dann, wie ein erlegtes Raubtier der Öffentlichkeit vorgeführt und die bekommen den Unmut der anderen Gäste zu spüren, in dem sie verbal im Boden versenkt werden.

Es gibt viele gute Journalisten in Deutschland und eine große Anzahl an „Nachrichtenseiten“, die äußerst seriös und ernsthaft betrieben werden. Es sind aber auch jede Menge Trittbrettfahrer unterwegs, die nur die eigene Denke vermitteln wollen. Von daher gilt für jeden Einzelnen von uns, wachsam und hinterfragend zu bleiben. Das gilt auch für die etablierten und bekannten Medien, die wie beschrieben, viel mehr für ihre Glaubwürdigkeit tun müssen als bisher!

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