Erinnerungen


Ein weiser Mann hat einmal gesagt: „Erinnerungen sind wie eine Schatztruhe. Man bewahrt sie an einem sicheren Ort und kann so jederzeit auf sie zugreifen“. Wohl wahr.


Für mich persönlich sind Erinnerungen etwas ganz Besonderes. Sie entführen mich zurück in eine andere Zeit und an Orte, die ich schon viel zu lange nicht mehr in Natura gesehen habe.


Eine dieser Erinnerungen möchte ich heute gerne mit euch teilen und ich hoffe, ihr erfreut euch daran, so wie ich es auch tue, wenn ich daran zurückdenke.


Spulen wir zurück auf das Jahr 1994. Die Sommerferien stehen vor der Tür und meine Eltern haben eine Reise nach Italien gebucht. Es soll mit dem Bus dorthin gehen und wir alle freuen uns schon sehr auf unseren Aufenthalt im Süden. Doch dann ruft ganz überraschend das Reisebüro an und teilt uns mit, dass unsere Fahrt nicht stattfindet. Zu wenig Leute haben sich für diese angemeldet und so gibt es nun das Geld zurück. Natürlich kann aber auch noch nach Alternativen gesucht werden. Die Idee der flotten Dame im Büro, es gäbe auch noch eine nette Bustour quer durch den Osten der USA und das ab New York.

USA? Ich glaube ich spinne! Eine Reise nach Amerika? Das wäre der Hit. Auch meine Mutter ist ganz aus dem Häuschen. Einmal die Staaten sehen, davon hat sie schon immer geträumt und nach all den Jahren der Ferien nur in Griechenland, wäre das doch auch wirklich mehr als verdient. Aber mein Vater winkt  ab. Wer weiß was das kostet und dann der lange Flug. Nein, er ist von den neuen Plänen noch nicht überzeugt und auch so überhaupt nicht begeistert.

So ziehen meine Eltern am Nachmittag los und ich hoffe, dass mein lieber Papa vielleicht doch noch die Kurve kriegt, glaube allerdings nicht daran.

Stunden und Minuten vergehen. Nicht tut sich. Kein Anruf, keine Rückmeldung von meinen Eltern, gar nichts. Doch dann, auf einmal, klingelt das Telefon. Ich gehe ran und mein Vater meldet sich am anderen Ende aus einer Telefonzelle. „Hier deine Papa“ sagt er mit diesem typisch deutsch-griechischen Akzent, den ich so sehr an ihm liebe. „Ich wollte dir nur kurz bescheid sagen“, setzt er fort, „also wir machen das mit diese Reise und Amerika“.

Wow. Mir fehlen die Worte. Tränen laufen mir über das Gesicht. Hat er gerade ernsthaft gesagt, wir fliegen in die USA? Ich darf wirklich mit meinen Eltern nach Amerika. Wie irre ist das denn bitte!? Ich springe, hüpfe und tanze wie ein Verrückter durch die Wohnung. Dieses Mal hat mein Vater mich echt gekriegt.

Und einige Wochen später ist es auch schon soweit. Mit dem Flieger geht es von Bremen nach Frankfurt und dort in den Jumbo-Jet in Richtung New York. Was für ein riesiges Flugzeug das ist. Vier Turbinen, hunderte Sitze und jede Menge nette Stewardessen. Das kann nur gut werden und das wird es auch.

Mit einigen Minuten Verspätung rollen wir auf die Startbahn und während wir das tun, kommt es zu meinem Moment, den ich bis heute immer und immer wieder vor mir sehe. Meine Mutter sitzt in der Mitte und sie greift nach unseren Händen. Sie hat Tränen in den Augen und lächelt uns an. Ganz leise und bescheiden sagt sie: „Danke ihr Zwei, ich kann das noch gar nicht glauben, dass wir das wirklich machen!“ 

Wow. Absolute Gänsehaut. 

Meine Mutter so zu erleben, so glücklich und so zufrieden, das hat mir damals alles bedeutet und daran denke ich wirklich auch heute noch gerne zurück. Die Freude meiner Mama kam tief aus ihrem Herzen, denn bisher hatte sie immer nur die Familie ihres Mannes besucht. Wenn sie frei hatte und es passte, dann ging es für uns mindestens einmal im Jahr nach Athen. Das war schön, aber meine Mutter wollte mehr, ja die Welt sehen und wirklich genießen, nicht nur bei der lieben Verwandtschaft in der Küche stehen und mit dieser kochen. Irgendwie logisch. Wobei ich auch meinen Vater verstehen konnte, der wiederum seine Mutter doch so sehr vermisste und sie endlich wieder in die Arme schließen wollte.

Wie dem auch sei. Meine Mama freut sich einfach. Endlich mal kein Gyros, keine Bouzouki und keine Gespräche in griechischer Sprache.

Ja und dann?

Wir fliegen sechs lange Stunden in die USA, kommen am legendären „John F. Kennedy-Airport“ an und werden von den Zollbehörden abgefertigt, so dass wir ins Land dürfen. Ein Mitarbeiter des örtlichen Reisebüros gibt uns einen Gutschein fürs Taxi und zeigt uns dem Weg zum Ausgang, wir sollen ins Hotel fahren, da geht es dann ab morgen richtig los. Amerika wir kommen.

Doch als sich die Tür öffnet, verschlägt es meiner Mutter echt die Sprache. Das erste was sie in New York sieht, es sind? Na? Könnt ihr es erraten? Richtig, freundliche Griechen. Sie stehen vor den Türen der Ankunfsthalle, haben Souvlaki auf dem Grill und aus einem Kassettenspieler dröhnt laute, griechische Musik. Mein Vater lacht und schubst mich an: „Scheißen, wir haben die falsche Flughafen erwischt“, feixt er.

So ist das eben, wenn man in eine Stadt reist, in der die Griechen eine der größten Communitys bilden. Wie war das noch, die Ersatzgriechen sind überall.

In diesem Sinne, habt einen schönen Tag. 
Ich hoffe, meine kleine Erinnerung hat euch gefallen!



Kommentare

  1. Eine schöne Geschichte. Nur, dass ich jetzt Appetit auf griechisches Essen habe :-)

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    1. Ha, hallo Frau Momo, da sind wir in der Tat nun schon zwei. Wobei viele Griechen derzeit noch in der Heimat sind und so manches Restaurant geschlossen hat!

      Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Mich berührt sie ebenfalls bis heute!

      Liebe Grüße

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  2. Einen wunderschönen Montag lieber Giannis!

    Was für schöne Erinnerungen!! Ich musste lachen, und sag das Gesicht deiner Mutter förmlich vor mir als ihr da von lauter Griechen umzingelt waren.

    Ja, solche Erinnerungen geben Kraft und machen das Leben und das herz leichter.

    Ich wünsch dir noch einen schönen tag und man liest sich.

    Liebe Grüsse
    Alexandra

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    1. Hallo liebe Alexandra,

      das hast du sehr schön geschrieben und ausgedrückt. Vielen lieben Dank dafür. Und ja, solche Erinnerungen leben weiter und erfüllen das Herz mit Freude. Das Gesicht meiner Mutter war übrigens wirklich zum Schießen damals ;)

      Liebe Grüße

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  3. Was für eine schöne Erinnerung! Mutig von deinen Eltern, ich trau mich nicht nach Amerika! Die Freude deiner mom rührt einen sehr! 🤗

    LG Sabine

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    1. Hallo liebe Sabine,

      Amerika ist riesig und für einige Menschen fast schon.zu groß. Ich liebe die Staaten, was aber wohl auch an meinem Hang zur englischen Sprache liegt.

      Die Freude meiner Mama war so unsagbar schön. Das Funkeln in ihren Augen, die große Dankbarkeit, endlich geht es mal um sie. Oh ja, das war schön!

      Liebe Grüße

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  4. Lieber Johannes,

    ich selber war noch nie in den USA, sollte 2009 geschäftlich für 1 Woche dort hin fliegen, alles war gebucht, dann wurde storniert, weil der Standort aufgelöst wurde. Es sollte nach Santa Barbara in Kalifominen gehen.

    P.S.: Habe Deine Frage beantwortet.

    LG Bernhard

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  5. So schöne Erinnerungen. Mich erinnert das ein wenig an den Film "My big fat greek wedding" (aber nur Teil 1), da war ja auch schon der Hinweis, das die Griechen eine sehr große Community in den USA bilden.

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