Giannis Bremerhaen


Darf ich euch einladen und entführen, nicht nach Griechenland, aber in die Seestadt Bremerhaven? Kommt und folgt mir, an den Ort, an dem ich aufgewachsen bin und der für viele, viele Jahre meine Heimat war.

Es wird eine sehr persönliche und private Reise, geprägt von wunderbaren Erinnerungen, die ich gerne mit euch und auf diesem Blog teilen möchte.


Ich erinnere mich gerne an meine Kindertage, denn damals hatte Bremerhaven noch den so magischen Duft einer Weltstadt. Es gab verschiedene Straßenbahnlinien, einen großen Hauptbahnhof und eine Fußgängerzone mit wirklich tollen Läden. Letztere wurde im Advent wunderschön erleuchtet und ein kleiner Weihnachtsmarkt lud zum Verweilen ein.

Meine Eltern liebten es, hier mit mir bummeln und spazieren zu gehen.

Über mehrere Straßen, Wege und Ausgänge gelangte man von der Innenstadt direkt an den Deich. Mein Vater stand hier fast täglich mit seinem Auto, um auf das Wasser zu sehen, denn er liebte die See. Sie erinnerte ihn an Griechenland, an das Meer und an seine Zeit als Steward, die er hatte als junger Mann verleben dürfen.

Einige Meter von hier entfernt kam man dann auch wirklich in den Hafen. Riesig und stolz prägte er das Bild unserer Stadt. Von hier konnte man ein Kreuzfahrtschiff besteigen, was heute übrigens immer noch geht oder mit einer Fähre nach England übersetzen. Das allerdings ist im Jahre 2024 nicht mehr möglich. Schade, denn damit fehlt Bremerhaven wirklich etwas.

Mit meinem Vater in den Hafen zu fahren, war ein echtes Abenteuer. Der Weg dorthin führte über die kleine und viel zu enge Brücke einer Schleuse; die mir jedes Mal beim Überqueren Angst machte, denn ich stellte mir vor, was wohl passieren würde, wenn mein Vater die Kontrolle über unseren Wagen verlieren würde, was er aber natürlich nie tat.

Im Hafen selbst konnte man als Besucher in den Columbus-Bahnhof gehen. Hier legten die großen und schweren Kreuzliner an. Nach oben zur Aussichtsplattform ging es entweder mit einem von zwei Fahrstühlen oder über ein riesiges Treppenhaus. Ich liebte es, denn dieses Teil war so gebaut, dass es ein wahnsinniges Echo hatte. Oh, und mein Vater musste mich oft ermahnen, weil ich zu laut war.

Weiter im Hafeninneren lagen große und furchtbar hässliche Autotransporter auf Anker. Sie brachten neue, deutsche Fahrzeuge von Bremerhaven aus in die USA. Es kamen aber auch viele neue Wagen aus Asien hier an. Wenn wir sie sahen, bemerkte meine Mutter mit einem Lächeln, es würde ihr nur eines der vielen, neuen Autos schon genügen und sei glücklich. Wie lustig.

Verließ man den Hafen wieder, musste man am anderen Ende von diesem durch den Zoll. Oft sah man hier müde und lustlos wirkende Beamte, die in einem Häuschen saßen und einfach nur kurz nickten oder desinteressiert die Hand hoben. Dann wusste man, dass man passieren durfte und alles in Ordnung war. Doch die Damen und Herren hier konnten auch anders. Ich erinnere mich gut an einen Abend, da wirklich jedes Fahrzeug angehalten und kontrolliert wurde. Besonders angenehm fühlte sich das nicht an.

Aus dem Hafen hinauskam man in den Stadtteil „Lehe“, der mehr oder weniger eine eigene Welt für sich war. Es gab dort viele Läden, die von außen nicht einsehbar waren und Kneipen, die man nur nach einer Gesichtskontrolle betreten durfte. In einer Straße saßen gar Frauen in Unterwäsche im Fenster und aus einem mir damals unbekannten Grund war dort auch immer was los. Man sah Matrosen, Seeleute und viele Streifenwagen, die hier permanent auf Kontrollfahrt waren. Sogar amerikanische Polizisten waren dabei im Einsatz. Ihre Sirenen funkelten wie rote und blaue Sterne durch den Abendhimmel. Die Beamten gehörten allesamt zur US-Kaserne, die sich unweit von hier, etwas außerhalb von Bremerhaven befand.

Das Amerikanische gehörte fest zu dem Leben in Bremerhaven dazu. In bestimmten Läden war es sogar möglich, in US-Dollar zu bezahlen und wenn es Weihnachten wurde, dann gab es Straßen, in denen es derart viele Adventslichter gab, das man fast schon blind wurde.

Auch im Radio waren die Amerikaner aus Bremerhaven zu hören. Die Kaserne hatte eine Mittelwellenfrequenz angemietet, auf der AFN sendete und mein Vater liebte diese Sender. Er passte in die damalige Zeit und das Gefühl von uns allen, international zu sein. Das wiederum überkam uns und mich besonders im Sommer, denn wenn im August, die Kirmes, hier „Freimarkt“ genannt, ihre Türen öffnete, waren die amerikanischen Streitkräfte auch ein Teil davon. Sie feierten dann ihr „Deutsch-Amerikanisches Volksfest“.

Der Bremerhavener Freimarkt fand auf dem großen Parkplatz vor der Stadt- und Eishalle statt und er kam mir riesig vor. Das erste Karussell, was man als Besucher sah, war ein Fahrgeschäft, das sich „Die Krake“ nannte und der Familie Uhse gehörte. Es stand jedes Jahr am gleichen Platz und erfreute sich stets einer großen Beliebtheit. Auf der anderen Seite des Platzes gastierte Sommer für Sommer der „Rio Express“ von Hofmann und Sohn. Es drehte sich dabei um eines der traditionellsten Karussells überhaupt, nämlich um einen Nachfolger der legendären „Berg und Talbahn“. Das Teil hatte echt Tempo und als meine Mutter mir sagte, sie wolle gerne mit mir darin einmal fahren, wurde mir im ersten Moment doch etwas anders. Am Ende macht es mir aber Spaß.

Weniger gut endete die Kirmes für mich allerdings, als mein Papa, direkt gegenüber, auf die Idee kam, mit mir in den Autoscooter zu steigen. Der gehörte der Familie Robrahn, nannte sich „Top In“ und war besonders bei jungen Leuten beliebt. Als mein Vater und ich in ihm fuhren, knallte es derart heftig, dass mir meine Brille durch den Wagen flog und mein Vater mit dem Bein gegen den Scooter prallte. Oh, was war mein Vater sauer. Er schimpfte und ärgerte sich, nicht aber darüber, dass er mit mir in den Scooter gegangen war, sondern deshalb, weil die anderen darin gefahren waren wie Idioten.

Mein alter Herr konnte wirklich herrlich in solchen Momenten sein.

Doch zurück zu den Amerikanern. Die hatten ihre ganz eigene, kleine Kirmes auf dem Philips-Feld direkt gegenüber errichtet und hier ging es zwar deutlich ruhiger, aber nicht weniger lustig zu. Gewisse Ordensträger der Kaserne saßen dort auf einem schmalen Stück Holz, das sich über einem mit Wasser gefüllten Becken befand. Mit Bällen konnte man nun als Kind werfen und im besten Fallen, den jeweiligen Soldat ins kalte Nass befördern. Ein herrlicher Spaß. Auch kulinarisch fehlte es hier an nichts. Neben sehr viel Eis wurden frische Hamburger mit typisch amerikanischen Soßen serviert. Auch Chili und Tacos konnte man haben, die allerdings hatten es wirklich in sich und brannten im Hals furchtbar nach. Die Dinger waren echt feurig.

Hach, es war wirklich eine schöne Zeit und ich bin glücklich, sie erlebt zu haben. Leider hat Bremerhaven über die Jahre viel von seinem Charme verloren. Eine Straßenbahn gibt es schon seit lange nicht mehr. Horten und Karstadt haben geschlossen. Die amerikanischen Streitkräfte sind zurück in ihrer Heimat und mit Saturn hat auch der letzte große Elektromarkt in der Bremerhavener Fußgängerzone die Türen für immer verriegelt.

Es gibt aber auch Neues. Was das ist und wie ich darüber denke, das erfahrt ihr allerdings erst beim nächsten Mal. So freue ich mich nun auf euer Feedback und sage danke fürs Lesen.

Schön, dass ihr da und auf meinem Blog wart!

Kommentare

  1. Wirklich ein sehr schöner Bericht 👍. Unsere heutige Zeit ist zwar Moderner und offener, aber nicht so schön wie in den 70 ziger oder 80 ziger Jahren. Wir hatten zwar keine Smartphone und Internet, aber dafür Bibliotheken, und man hat seine Kumpels Offline getroffen.

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  2. ich bin dir gerne gefolgt
    und musste bei manchen Erinnerungen schmunzeln ;)
    ja.. ich bin auch gerne am Wasser
    kann es mir kaum ohne vorstellen
    denn ich bin ja mit Ostseewasser getauft ;)
    ich wünsche dir und deinen Lieben ein frohes Osterfest
    Rosi

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